12.09.2018
Der Fachkräftemangel ist in aller Munde und für alle, die in letzter Zeit einen Handwerker gesucht haben, ist es offensichtlich. Fahrgäste stehen immer häufiger am Bahnsteig und warten auf ihren Zug, der sich mangels Lokführer nicht bewegt. Das Problem beschränkt sich längst nicht mehr auf Firmen, die händeringend Personal suchen, sondern ist direkt beim Kunden angekommen. Fahrgäste stehen immer häufiger am Bahnsteig und warten auf ihren Zug, der sich mangels Lokführer nicht bewegt. Berichte über die Engpässe in der Pflege füllen seit Monaten die Medien. Und neben einigen Bauberufen hat die Bundesagentur für Arbeit auf ihre Liste der Mangelberufe im Juni 2018 nun sogar Steuerberater aufgenommen.
Jedes halbe Jahr veröffentlicht die Bundesanstalt ihre Engpassanalyse. Auf knapp 50 Seiten, die von jedem Interessenten im Internet kostenlos abrufbar sind, stellt die Behörde zahlreiche Daten zusammen, die bei genauer Betrachtung zwar nicht immer eindeutig sind, aber Bewerberinnen und Bewerbern doch einige Hinweis darauf geben, auf welchem Berufsfeld die Chancen auf eine feste Anstellung besonders hoch sind.
Aus Gründen der Vergleichbarkeit geht die Statistik davon aus, dass die Bewerberinnen und Bewerber örtlich praktisch ungebunden sind. Tatsächlich muss man jedoch einräumen, dass dies so nicht zutrifft, wie anhand „weicher Faktoren“ wie Kulturangebot, Kinderbetreuung und Infrastruktur leicht nachvollziehbar ist. Hinzu kommt, dass es keine allumfassende Kennzahl zur Messung von Mängeln und Engpässen gibt. Die Studie benennt Vakanzzeiten, die mindestens 30 bis 40 Prozent über dem Durchschnitt aller Berufe liegen. Kommen auf 100 offene Stellen bei Fachkräften und Spezialisten weniger als 200 Arbeitslose, dann greift die Engpassanalyse, bei Experten allerdings erst bei weniger als 400 Arbeitslosen auf 100 Stellen. Zuletzt wird auch noch eine berufsspezifische Arbeitslosenquote benannt, die unter drei Prozent einen Engpass markiert.
Bei der Analyse der Vakanzzeiten sozialversicherungspflichtiger Arbeitsstellen, also der Zeit, die vergeht, bis eine Stelle wieder besetzt ist, fallen einige Werte besonders ins Auge. Die Arbeitsagentur stellte im Juni 2018 fest, dass diese allgemein „stark gestiegen“ sei. Dieser Trend hält seit 2010 ohne Unterbrechung an. Dennoch will man nicht von einem flächendeckenden Fachkräftemangel sprechen.
Sichtbar machen die Zahlen aus Nürnberg zudem, dass der Mangel häufig nicht mit arbeitslos gemeldeten Menschen gelöst werden kann, denn auf 100 gemeldete Stellen kommen mitunter nur 36 passende Arbeitslose. So sensationell die berufsspezifische Arbeitslosenquote von sage und schreibe 0,7 Prozent klingt, so nachdenklich macht eben doch, dass mit einer reinen Arbeitsvermittlung ohne längerfristige Ausbildung neuer Kräfte das Problem nicht lösbar ist.
Für eine nachhaltige berufliche Perspektive von Fachkräften, Spezialisten und Experten reicht es nicht aus, wenn sich potentielle Bewerberinnen und Bewerber die Liste der bundesweit 33 Berufsgruppen anschauen, die im Moment von der Arbeitsagentur als Mangelberufe benannt werden. Es gibt signifikante regionale Unterschiede, aber auch „alte Bekannte“ wie den Fahrzeugbau, den IT-Sektor sowie die Gesundheits- und Pflegeberufe.
Die Arbeitslosigkeit nimmt zwar weiter ab, ist mit 2,3 Millionen Arbeitslosen (Juni 2018) aber nach wie vor auf bedrückend hohem Niveau, zumal darunter viele Langzeitarbeitslose sind und rund eine Million Menschen in „Maßnahmen“ hinzukommen.
Der Arbeitsmarkt lässt sich nicht 1 zu 1 ausgleichen, sondern erfordert von allen Bewerberinnen und Bewerbern ein hohes Maß an Eigeninitiative, Flexibilität und Durchsetzungsfähigkeit. Diese zu entwickeln und in einen guten Job umzumünzen, dafür bietet die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit einige Hilfestellung.
Gerd Aschoff