09.04.2020
Die Corona-Krise hat immense Auswirkungen auf die Arbeitswelt – viele Menschen haben das bereits zu spüren bekommen. Homeoffice, digitale Vernetzung und Kurzarbeit sind die Stichwörter, mit denen sich viele Unternehmen derzeit beschäftigen müssen. Doch wie nachhaltig wird das Arbeitsleben auch nach der Krise verändert? Hierzu gibt Katharina Lochner (Foto), Professorin für Wirtschaftspsychologie und Expertin für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der University of Applied Sciences Europe (UE), einige Prognosen:
Der Sprung ins kalte Wasser der digitalen Welt verändert die Einstellung vieler Mitarbeiter zu digitalen Tools. Durch die Krise sind viele Menschen gezwungen sich schnell in digitale Kommunikations-Tools einzuarbeiten, was sie vorher irgendwie umgehen konnten. Diese Auseinandersetzung wurde Top 1 auf vielen To-do-Listen mit der breiten Erkenntnis, dass digital durchaus auch in der Zukunft einen Mehrwert bedeutet und alles einfacher ging als gedacht.
Auch in der Arbeitswelt 2.0 waren viele Arbeitgeber – oftmals in eher traditionell geprägten Unternehmen – gegenüber neuen Formen von Arbeit misstrauisch. In der Krise wurde oft aus der Not heraus eine notwendige Infrastruktur geschaffen, die flexibles Arbeiten auch von zu Hause aus möglich macht. Arbeitgeber die bisher gegenüber Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten skeptisch waren, erfahren nun, dass auch von zu Hause aus gute Arbeitsergebnisse erzielt werden können und dass ihre Mitarbeiter sogar oftmals noch produktiver sind – vorausgesetzt die Kinderbetreuung kann gewährleistet werden. Diese Erkenntnisse stärken das Vertrauen in die Mitarbeiter und werden sich auch nach der Krise weiter verfestigen, Arbeitgeber in ihrer Auffassung vom flexiblen Arbeiten liberaler werden lassen. Homeoffice wird selbstverständlich. Auch die Mitarbeiter haben noch besser gelernt, sich selbst zu strukturieren und zu organisieren, Ziele zu setzen und ihre Tage eigenständig zu planen. Das gibt ihnen mehr Autonomie, aber vielleicht auch mehr Selbstvertrauen.
Menschen, die nach der langen, gezwungenen Homeoffice-Zeit wieder „im Büro und mit den Kollegen sein dürfen“ wissen die kollegiale Gemeinschaft wieder mehr zu schätzen. Sie haben festgestellt, wie viel Hilfe, Support, Austausch und Gemeinschaft an ihrem Arbeitsplatz vorhanden ist, und dass sich manche Dinge doch leichter direkt als auf Distanz klären und besprechen lassen. Außerdem gibt der Gang zum Büro auch Struktur im Tag und erleichtert die Abgrenzung von Beruflichem und Privatem. Somit könnte der Arbeitsplatz vor Ort in der Firma nochmal eine ganz andere Wertschätzung erfahren.
Spontane Improvisation wie sie die Corona-Krise forderte, hat die Teamfähigkeit unter den Kollegen sowie Führungskräften und Mitarbeitern gefordert. Es waren schnelle pragmatische Lösungen gefragt, welche die Mitarbeit aller Kollegen aus den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen abteilungsübergreifend zusammengeführt haben.
Durch die positiven Erfahrungen mit der digitalen Kommunikation werden virtuelle Konferenzen vermehrt genutzt. Somit können Geschäftsreisen reduziert und auf die wichtigsten beschränkt werden. Es wird vermehrt darauf geachtet, welche Reisen tatsächlich notwendig sind und welche Themen auch auf Distanz geklärt werden können. Dieses Umdenken schlägt sich positiv auf die CO2-Bilanz der Unternehmen nieder. Die reduzierte Reisezeit setzt zudem Kapazitäten für andere Aufgaben frei oder erlaubt, die bestehenden mit etwas mehr Ruhe anzugehen.
Alles in allem bewertet Katharina Lochner die Entwicklungen durchaus positiv: „So schwer die Krise die Gesellschaft und Wirtschaft auch beutelt, sie wird sicherlich die digitale Transformation befeuern, Innovationen beschleunigen und vor allem lenkt sie den Blick auf die Institutionen und Berufe, die wir brauchen, um unsere Gesellschaft am Laufen zu halten.“
Foto: Sebastian Blesel