02.03.2019
Diese Frage hören wir von potentiellen Ausstellern immer wieder. Dürfen wir die Gegenfrage stellen: „Worauf kommt es Ihnen denn an?“
Wie viele Recruitingevents es in Deutschland gibt, weiß wohl niemand so genau. Aber feststeht, dass es nicht wenige sind. Gerade Anfang des Jahres häufen sich in den Sozialen Medien und einschlägigen Onlineportalen wieder die Hinweise auf die verschiedenen Events. Dabei fällt auf: Viele Veranstalter werben mit Superlativen: Einer freut sich über bislang mehr als 12. 000 ausstellende Unternehmen in rund 15 Jahren und über 1.500.000 Besuchern, ein anderer verspricht für den kommenden Event 400 erfolgreiche Unternehmen und 18.000 Nachwuchstalente.
Das zeigt in jedem Fall, dass das Interesse von Unternehmen wie Kandidaten an Alternativen zu elektronischen Bewerbungsverfahren durchaus vorhanden ist. Aber zeigt es auch, dass diese Alternativen erfolgreich sind? Beide Seiten versprechen sich viel von der direkten Begegnung. Aber bekommen Sie auch was sie sich wünschen?
Fest steht: Niemand kann an drei Tagen mit 400 Unternehmen sprechen und kein Unternehmen kann 18.000 Besucher abfertigen, nicht einmal ein Bruchteil davon. Die Tipps in allen einschlägigen Ratgebertexten zum erfolgreichen Jobmessenbesuch für Bewerber sind denn auch eindeutig: Kandidaten sollen sich bereits im Vorfeld gezielt aussuchen, wohin sie gehen. Sechs, sieben Unternehmen, mehr ist nicht drin. „Pro Unternehmen und Gespräch sollten Sie mit 45 Minuten rechnen“, heißt es dazu auf dem Online-Portal Karrierebibel? Wobei ich behaupten möchte: Das ist theoretisch richtig, faktisch aber wohl doch eher eine Illusion. Wie soll sich ein Unternehmen im Messegedränge 45 Minuten Zeit nehmen?
Und damit wird die Sache kompliziert. Die Teilnahme an den Messeklassikern ist fast schon ein Muss, ein Unternehmen, das was auf sich hält, muss da sein. „Gebracht hat es in den letzten Jahren wenig“, hören wir in Hintergrundgesprächen immer wieder. Oder „Wir hatten viele Gespräche, aber am Ende kam kein Vertrag zustande.“ Was ich mich dann häufig frage: War das auch das Ziel? Und wenn ja, wusste das auch das Standpersonal?
Ich habe selbst inzwischen wohl an die hundert Jobmessen mitorganisiert und noch einmal so viele besucht. Was mir dabei immer wieder auffällt: Was an vielen Ständen abläuft, hat sich in den letzten 20 Jahren, seitdem wir mit dem Karrieretag* an den Start gingen, nicht verändert. Dabei rede ich jetzt nicht von dem Standpersonal, das von morgens bis abends miteinander spricht, in den Computer oder aufs Handy schaut. Das gab und gibt es immer.
Ich meine durchaus die Versuche, am Stand miteinander ins Gespräch zu kommen. „Was machen Sie denn so?“, fragen der Kandidat oder Unternehmen. Und passt dann die mehr oder weniger umfassende Erklärung, werden gemeinsam Stellenanzeigen angeschaut – gerne online! Im günstigen Fall werden auch die mitgebrachten Bewerbungsunterlagen durchgeblättert Und dann? Nicht immer – aber immer öfter bekommt der Besucher ein Kärtchen mit dem Zugang zum Bewerbungsportal zugesteckt: „Stellen Sie da alles ein!“
Irgendwie absurd. Man trifft sich auf der Jobmesse, um danach also genauso zu machen wie sonst auch. Da hätten doch alle auch zuhause bleiben können. Oder? Das Problem: je größer eine Veranstaltung ist, umso unverbindlicher verlaufen viele Gespräche. Und je länger sie dauert, umso mehr verstärkt sich das noch. Am Ende sind alle so erschöpft, dass sie sich gar nicht mehr kennenlernen wollen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich haben große Events ihre Berechtigung. Für Unternehmen, die ihre Arbeitgebermarke präsentieren wollen und für Bewerber – vor allem für junge Menschen, Schüler, Studenten, Absolventen, die sich zunächst einmal einen Überblick verschaffen wollen.
Für alle, die wirklich ernsthafte Gespräche führen wollen, kann die Anzahl der teilnehmenden Unternehmen kein Kriterium sein – und das gilt für beide Seiten. Die eigentliche Frage müsste also lauten: Haben wir als Unternehmen, habe ich als Kandidat, Interesse, meinen Gesprächspartner wirklich kennenzulernen? Kann und will kann ich 45 Minuten reden? Die Eingangsfrage stellt sich dann nicht mehr.
Autorin: Sabine Hildebrandt-Woeckel, Journalistin und Inhaberin job40plus
*Der Karrieretag war die erste deutsche Jobmesse, die sich nicht an Absolventen richtete. Sie fand erstmalig 1996 statt und wurde von der Autorin mitbegründet. Warum sie heute so in dieser Form nicht mehr existiert lesen Sie hier.