10.10.2018
Wer als Führungskraft seinen Job verliert, darf – je nach Beschäftigungsdauer und Gesamtumstände – in der Regel auf eine gute Abfindung, eine großzügige Freistellung, ein gutes Zeugnis und ggfls. auf die Finanzierung einer Outplacement-Beratung hoffen. Daher ist man geneigt zu denken, dass Führungskräfte ja weich fallen. Allerdings gibt es hier ein spezifisches Problem: Je höher die Ebene im Organigramm, umso seltener finden sich Stellenausschreibungen für adäquate Anschlusspositionen im sogenannten offenen Arbeitsmarkt. Wenn dazu noch ein gewisses Alter kommt, und das beginnt je nach Funktion oder Branche mit schon mit Mitte 40, sinken die Chancen gewaltig.
Damit der Neuanfang trotzdem gelingt, benötigen auch gestandene Profis nicht selten Hilfe – auch wenn ich oft erlebe, dass sie sich zunächst dagegen sträuben. Sie verkennen, dass sie sich jetzt selbst verkaufen müssen – und das richtig. Nicht nur der Zeitrahmen bis es zu einem Neuanfang kommt, wird dann häufig unterschätzt. Auch der richtigen Aufbereitung der Bewerbungsunterlagen wird nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet, schon gar nicht dem CV. Führungskräfte (wie auch die meisten anderen Bewerber) machen hier sehr oft den gleichen Fehler. Statt ihn individuell und so aufzubauen, dass man sich von den Wettbewerbern um die wenigen offenen ausgeschriebenen Stellen deutlich differenziert, wird im Internet eine Wordvorlage gesucht – und los geht’s. Man fängt an drauf los zu schreiben und listet je Station in vielen Bullet-Points alles auf, was das Zeug hält. Man möchte ja dem nächsten Leser eine möglichst große Auswahl an Fähigkeiten und Kompetenzen vermitteln, damit er sich ein umfassendes Bild machen kann.
So kommen schnell mal 5-7 Seiten und mehr zusammen in der Hoffnung, dass sich der Empfänger schon das rauspicken wird, was er für die ausgeschriebene Position brauchen kann. Diese Lebensläufe erinnern mich an chinesische Speisekarten: Dicke Hefte, alle Speisen (Inhalte der Stationen) wiederholen sich, nur werden sie mal mit Rindfleisch, Schwein, Huhn und Ente angeboten (Unterschiedliche Rollen, Titel, Hierarchie-Ebenen). Finden wir das gut? In der Regel nicht. Intuitiv wissen wir, dass bei so großer Auswahl das Produkt nicht wirklich ausgezeichnet sein kann. Also muss ein CV eher einer Gourmet Speisekarte gleichen, der spezialisiert ist und mit Mehrwert für den Empfänger überzeugt. Und das – sei dieser Stelle gewarnt – ist richtig Arbeit.
Führungskräfte müssen nicht nur vermitteln, was sie fachlich können und womit sie beschäftigt waren, sondern vor allem aufzeigen, was sie in ihren beruflichen Stationen geleistet also bewirkt haben – das ist ein gewaltiger Unterschied. Diese Nabelschau vor dem Hintergrund der Performance ist die zentrale Aufgabe, denn sie ist zum einen als Basis für einen mehrwerterzeugenden, differenzierenden CV notwendig, wird weiter benötigt für ein entsprechendes Anschreiben und ist die Grundlage dafür, dass man in Vorstellungsgesprächen „was zu sagen hat“. Neudeutsch würde man heute sagen „Storytelling“.
Damit es mit dem nächsten beruflichen möglichst Schritt zügig klappt, muss also ein strategisch/taktischer CV her – und diesen zu erstellen, kann schon mal eine Woche dauern. Dabei sollte jede/r so an sich arbeiten, wie er es als Führungskraft für ein Unternehmen auch tun würde: Analysieren, konkretisieren, umsetzen. Je mehr Energie hier am Anfang investiert wird, umso schneller kommt der ROI.
Übrigens: In der chinesischen Sprache gibt es zwischen Chance und Krise keinen Unterschied!
Die Autorin Christina Kock, Jahrgang 1959, ist Mitglied im Beraternetzwerk von job40plus und gehört zu den führenden Karriere- und Outplacement-Beratern in Deutschland. Ihr Beratungangebot für Führungskräfte bei beruflichen Veränderungen reicht von systematischer Selbstreflektion aus Performance-Perspektive, Neupositionierung über Karriereentwicklung und Outplacement bis zur Königsklasse „Inverses Headhunting“. Ihre eigene Laufbahn hat sie bis auf die Vorstandsebene in der Finanzindustrie geführt. Das macht sie für ihre Kunden zu einer versierten Sparringspartnerin auf Augenhöhe. Sie weiß, was Menschen antreibt, erarbeitet methodisch die richtige Positionierung ihrer Kunden und entwickelt mit ihnen neue Perspektiven. 2011 gründete sie ihr Beratungsunternehmen DOM CONSULTING®.
Die Kolumne „Geschichten aus dem Alltag von Karriereprofis“ wird im Wechsel von verschiedenen Experten geschrieben. Die bisher erschienenen finden Sie hier.