10.09.2018
„Hier ist kein Arbeitgeber, der meine Qualifikation anerkennt.“ Der Kandidat, der uns diese Aussage bei Verlassen der job40plus im Juni in Stuttgart entgegen schleuderte, klang nicht nur sauer, sondern vor allem verzweifelt. 50 Bewerbungen hatte er in den letzten Wochen geschrieben und auch ein paar Einladungen erhalten. Aber kaum kam das Gespräch aufs Geld, wurde das Gegenüber einsilbig, eine zweite Einladung gab es nie.
Dabei, so erklärt er, sei er topqualifiziert. Eine Tatsache, die ihm auch niemand absprach – und die ihm auch die Einladung zu unserem Event beschert hatte. Vielleicht wandten wir vorsichtig ein, sei die Gehaltsforderung dann doch zu hoch? „Nein!“, die fast trotzige Antwort, rund 15 Prozent mehr habe er bislang bei jedem Jobwechsel bekommen. Fünf bis sollten es aber wenigsten sein.
„Er wolle noch einmal was bewegen, er könne noch was bewegen,“, erzählt er uns – und klingt dabei durchaus überzeugend. Die Routine im alten Job frisst ihn auf. Er ist jetzt Mitte 50, in gleicher Festanstellung seit knapp zehn Jahren und wird immer unglücklich in der jetzigen Position.
Der Klassiker also, wie wir und unsere Karriereexperten (LINK) immer wieder kennenlernen. In einem anderen, neuen Unternehmen könnte der Kandidat mit Sicherheit viel Wissen einbringen und mehr leisten als derzeit – und es würde ihm sofort auch psychisch besser gehen. Aber weil das Gehalt nun mal ein Statussymbol ist, steht er sich selbst im Weg. Das Problem: Vielen Karriereratgeber tragen bis heute zu diesem Zweispalt bei. „Verkaufen Sie sich beim Jobwechsel nicht unter Wert“, „Pokern Sie richtig“. So oder so ähnlich liest man es immer wieder.
Dabei sieht die Realität für erfahrene Fach- und Führungskräfte anders aus. Studien zeigen deutlich, dass das Gehalt bei den meisten Fachkräften nur bis zum 45. Lebensjahr mit jedem Jobwechsel ansteigt. Danach erfahren nur Führungskräfte weitere Erhöhungen – und auch dies keineswegs immer. Das ist nicht nur branchenabhängig, sondern hat natürlich auch mit der Unternehmensgröße ab.
„Was wollen Sie?“, war denn auch die nächste Frage von uns. „Weiter jammern oder der Realität ins Auge sehen?“ An diesem Tag wollte er darüber nicht diskutieren. Aber vor eine paar Tagen kam ein Anruf und ein Dankeschön für den Denkanstoß. Es hat geklappt mit dem Umstieg. Wir gratulieren!
Autor: Sabine Hildebrandt-Woeckel, Inhaberin von job40plus
Die Kolumne „Geschichten aus dem Alltag von Karriereprofis“ wird im Wechsel von verschiedenen Experten geschrieben. Die bisher erschienenen finden Sie hier.